Mitgliederzuwachs und Motivation im Tischtennis durch richtiges Führungsverhalten ... und nicht umgekehrt!
Ein Kommentar von Thomas Dick (Tischtennis-Institut)
Der nachfolgende Artikel beschäftigt sich mit der momentanen Mitgliedersituation in den deutschen Tischtennis-Abteilungen- und Vereinen, die nicht unerhebliche Auswirkung auf die sportpolitische, finanzielle und letztlich sportliche Entwicklung in den einzelnen Vereinen, Verbänden und damit auch des DTTB hat. Kernansatz ist dabei die Analyse der Situation unter Betrachtung zweier Aspekte:
a) "Wie kann mehr Arbeit für lizenzierte und qualifizierte Trainer im Tischtennis entstehen?" und
b) "Wie ist dies hinsichtlich einer deutlichen Mitglieder- und Motivationssteigerung zur Entwicklung der Vereine, Verbände und letztlich der Sportart Tischtennis nutzbar?"
Dabei wird sowohl ein Blick auf die derzeitige allgemeine Vereinssituation in diesem Bereich als auch auf die Trainerin/ den Trainer selbst geworfen.
- Die Hoffnung auf ein Mitgliederwachstum in Vereinen und damit auch in Verbänden, das möglichst allen lizenzierten und qualifizierten Trainerinnen und Trainern im Tischtennis generell eine und dann auch gute Arbeitsmöglichkeit bietet, enttäuscht die ausgebildeten Trainerinnen und Trainer sowie die Vereins- und Verbandsverantwortlichen seit nunmehr 15 - 20 Jahren relativ häufig. Bislang konnte festgestellt werden - ohne hier zunächst auf detaillierte Untersuchungen zu verweisen - dass seit 1993 keine erwähnenswerten Mitgliederzuwächse in deutschen Tischtennis-Vereinen oder-Abteilungen zu verzeichnen waren. In der Januar-Ausgabe 2003 des amtlichen Mitteilungs-Organs DTS des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) wurde veröffentlicht, dass die Mitgliederentwicklung in Deutschland im Tischtennis weiter zurückgegangen ist - der Deutsche Tischtennis-Bund verlor Position 7 in den "Top 10" der mitgliederstärksten Vereine und befindet sich nun auf Platz 9 der bundesweit mitgliederstärksten Sportverbände.
Analysiert man das Beitragsaufkommen von Vereinen kann sogar festgestellt werden, dass bei (fast) gleichbleibenden Monatsbeiträgen (und dies geht noch weiter als 1993 zurück) der Wert der pro Kopf erwirtschafteten Güter und Dienste bereits seit 1973 um fast fünfzig Prozent gestiegen ist, mehr qualifizierte Trainer im Tischtennis bei notwendigerweise damit auch erforderlicher steigender Beitragsleistung der Mitglieder in Vereinen kaum beschäftigt wurden; und dies, obwohl alle Menschen in Deutschland heute jährlich 56 Arbeitstage weniger als vor 28 Jahren arbeiten, mehr Einkommen zur Verfügung haben, die Sparrate in Deutschland noch nie so hoch war wie Anfang 2003. Trotzdem wurden zeitgleich in Vereinen und Verbänden nicht deutlich mehr Trainer im Tischtennis beschäftigt und die Beitragsstrukturen der Vereine und Verbände in dieser Hinsicht blieben bis heute in den überwiegenden Fällen gleich (niedrig). Der Abwärtstrend bezüglich der Beschäftigung generell in Deutschland ist seit 150 Jahren bemerkenswert stabil. Produktivität ist heute mehr gefragt denn je, denn der stetig steigende Einsatz von Wissen und Kapital treibt diese voran. Nur: dies auch im Tischtennis und seinen "arbeitsorganisatorisch" zu betrachtenden Strukturen festzustellen, bleibt noch immer - trotz Globalisierung und Anforderungen, die der Wandel an die Sportart Tischtennis stellt - die Ausnahme. In Deutschland wird heute in einer Stunde zwölfmal so viel erwirtschaftet wie 1990 und sechsmal so viel wie 1950. Aber: Wo bleiben die Synergieeffekte im Freizeitbereich und hier in der Organisation der Tischtennis-Vereine und -abteilungen resp. der Verbände? - Um unter diesen Bedingungen etwas von "Wachstumskuchen" abzuschneiden (der zwar momentan stagniert, aber deshalb nicht zwangsläufig ein effektives "Schlechter-gehen" erzeugt!) und unter den besonderen Bedingungen der "freizeitorientierten Vereinsführung" sinnvolle Beschäftigung für lizenzierte Trainerinnen und Trainer zu erreichen, müssen sich Vereine und Verbände an die sich ändernden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen anpassen. Das ist bislang so gut wie nicht geschehen! Viele pflegen noch immer Sicht- und Verhaltensweisen, die eher der historisch überholten Industrie- und Idealismus- als der neuen Wissens- und Kommunikationsgesellschaft gemäß sind. Die Sportpolitik spiegelt in vielen Bereichen seit Jahren das rückwärts gewandte Denken wider. Nichts zeigt das deutlicher als das vielerorts vermisste Selbstverantwortungsprinzip, dass es Vereinen und Verbänden ermöglichen sollte, ihre eigenen Entscheidungen auf der Basis von Wahlfreiheit zu treffen sowie das Maß an Vertrauen, das in vielen Bereichen dieser Sportart unter dem für heutige Verhältnisse notwendigen Level liegt - und damit einer der größten Kostenfaktoren darstellt, denn fehlendes Vertrauen kostet die Verbände enormes Geld. Die ursprünglich erwartete "Entscheidungs-Autonomie" ist zu einem lähmenden Mechanismus geworden, der die Sicht für die wirklichen Probleme des Tischtennissportes (Image, Nachwuchsarbeit, Darstellung in der Öffentlichkeit, fehlende Führungsqualifikationen ehrenamtlicher Mitarbeiter, u.e.m.) verdeckt. Als Beispiel können hier sicherlich die in einigen Landesverbänden oftmals bewegungslos gewordenen Unterorganisationen der Kreis- und Bezirksverbände genannt werden, die gerade noch ihren Spielbetrieb verwalten und auf die Weiterentwicklung des Tischtennis-Sportes warten - warten auf "etwas, das vom Landesverband, vom DTTB oder auch von der ITTF kommt und sie aus Ihrem "Dornröschen-Schlaf" erweckt- oder hoffen - hoffen auf etwas, das Ihnen weiterhilft. Entscheidungen treffen, handeln ... zwar vorhanden, aber .... Mangelware! Die berühmten Ausnahmen hiervon - sie seien selbstverständlich lobend erwähnt - bestätigen eben nur diese Regel!
- Tischtennis ist in vielen Vereinen im Wesentlichen auf Mitglieder ausgerichtet, die möglichst 40 Jahre lang ohne Ansprüche in "ihrem" Verein "ihrem" Hobby frönen. Solche Mitglieder haben zwar noch ihre legitime Existenzberechtigung, aber sind mit zunehmender Dauer Geschichte, da auch sie den demographischen Faktor nicht aufhalten bzw. verändern können. Die potentiellen Mitglieder von heute binden sich schon lange nicht mehr so lange an ihren Verein - könnten aber durchaus gebunden werden. Dennoch wird so getan, als seien alle Mitglieder - wie im Industriezeitalter üblich - zufrieden, an Vereinsentscheidungen beteiligt, nahe an Wissen und Kapital angesiedelt und entsprechend produktiv für ihren Verein; und dies bei Monatsbeiträgen, die sich seit Jahren nicht an die veränderten Bedingungen angepasst haben. Das ist ein wesentlicher Grund, warum sehr viele Vereine und Abteilungen im Tischtennis vor den Kosten für qualifizierte Trainer zurückschrecken und diese noch immer als Argument für eine "Nichtbeschäftigung" anführen ("zu teuer" ... gemeint ist allerdings "können und wollen wir uns nicht leisten, da wir bislang noch keine dazu entsprechend notwendigen Beiträge erheben"). Gefragt wird also nicht nach der wirklicher Wertschöpfung eines (oder mehrerer) Trainer(s), sondern nach der (finanziellen) Leistungsfähigkeit des Vereins - ohne das vielleicht in Form der Mitglieder dahinterstehende Wissen und Kapital zu nutzen. Vereine und Abteilungen, die nicht in der Lage sind, dieses Wissen und das dahinterstehende Kapital zu nutzen oder nutzbar zu machen, werden künftig vom "Tischtennis-Markt" verdrängt und sie werden verschwinden - die einen vielleicht in 3-5 Jahren, die anderen aber ganz sicher in 5-10 Jahren. Sie helfen sich - wie vielerorts bekannt - mit (relativ) guten Spielern und diese werden als "Trainer" beschäftigt. Ein Nachweis der Fähigkeiten zur Durchführung von fachgerechtem Training gibt es dort nur in vereinzelten Fällen sowie eine Selbstverantwortungsmaxime für die Mitgliederentwicklung durch eben diesen "Trainer" gibt es in den seltensten Fällen. Darüber hinaus wird vielerorts der Weg des "bezahlten Spielers, der dann auch Training gibt" gegangen. Standard-Argument: "Besser als gar nichts!"
- Schätzungsweise 3000 Spieler(innen) ohne Trainer-Lizenz sind mit Trainingseinheiten für unterschiedliche Spieler(innen) in deutschen Vereinen "beschäftigt". Ca. 8.500 bis 10.0000 lizenzierte Trainer(innen) gibt es in Deutschland. Die meisten der als "Spieler-Trainer" Beschäftigten lehnen es ab, eine Trainer-Lizenz (und auch weiterführende Qualifikationen) zu erwerben. Veraltete Denk- und Führungsstrukturen behindern so die Einbeziehung vieler Millionen Arbeitsstunden von Lizenz-Trainern in deutschen Vereinen. Die Uralt-Vorurteile "Wer gut Tischtennis spielt muss auch zeitgleich gutes Training "geben" können!" oder auch "Wir haben keinen ausgebildeten Trainer in unserem Umkreis!" oder "Trainer sind zu teuer!" sind die Kernargumente der fehlenden Beschäftigung von ausgebildeten Trainern. Neben diesen strategischen Fehlern werden darüber hinaus auch oft Denkfehler begangen, in dem die "fehlenden Kinder und Jugendlichen" das Hauptargument für die Nicht-Beschäftigung von Trainerinnen oder Trainern ist. Dabei werden gerade ausgebildete Trainer(innen) auf nahezu allen Stufen der Ausbildung mit Mitglieder-Werbemaßnahmen vertraut gemacht bzw. entwickeln im eigenen Interesse eigene Ideen, die dann im Verein zur Anwendung kommen könnten, wenn Sie die Unterstützung der Vereins- oder Abteilungsführung hätten. Deshalb müssen diese Vorurteile abgebaut und ganz beseitigt werden. Ohne eine Vorinvestition in gute Trainings- und Mitgliederwerbearbeit lässt sich keine sinnvolle Dauerbeschäftigung erreichen. Auch hier ist Vertrauen ein Schlüsselelement, um dieses Problem zu lösen. Aber: wer nimmt sich noch Zeit, um über die Bedeutung des vielfach fehlenden Vertrauens nachzudenken?
- Die Kosten für Trainer - und hier insbesondere bei qualifizierten Trainern - sind nicht zu mindern und ihre Arbeit damit abzuwerten sondern stärker über den (möglichen) "Trainings-Konsum" der Mitglieder zu finanzieren. Dies ist in anderen Sportarten und auch im musisch-kulturellen Bereich der Normalfall. Die Stundensätze für C-Trainer(innen) in Deutschland liegen derzeit im Bundesdurchschnitt so niedrig, dass die durchaus berechtigte Frage erlaubt sein muss, was für diese Stundensätze als Gegenleistung überhaupt erwartet werden darf. Untersuchungen und Befragungen des Tischtennis - Institutes Schwarzwald (1996-2003 Tischtennis-Institut Hamburg) haben ergeben, dass Tischtennis-Trainingsstunden in Vereinen für lizenzierte Trainerinnen oder Trainer extrem häufig unter dem Stundensatz für Reinigungskräfte liegen. Darüber hinaus muss entschieden werden, ob die Vereinspolitik - gemeinschaftlich und demokratisch gestützt - beispielsweise Nachwuchsarbeit, die Beschäftigung von Trainerinnen oder Trainern im Tischtennis sowie die Entwicklung eines seriösen und guten Finanzierungs-Konzeptes als notwendig und machbar erachtet. Viele dieser Dinge haben Vor- und Nachteile. Dies darf allerdings kein Grund sein, gar nichts zu unternehmen. Gleichzeitig ist das weit verbreitete niedrige gesellschaftliche und auch sportartinterne Ansehen der Tätigkeiten eines Tischtennis-Trainers massiv zu heben. Noch immer gilt es nämlich als unschicklich, trainernahe Dienste abzufragen, und als unzumutbar, sie anbieten zu müssen. Insbesondere in einer stark alternden Bevölkerung, wie sie zweifelsfrei in Deutschland existiert und in den kommenden 30 Jahren unser Gesellschaftsbild prägen wird, ist solches Denken wirtschaftlich und sozial unvertretbar in einer Sportart, die weiter Mitglieder verliert, ohne "führungspsychologisch angemessen" zu reagieren. Anreizsysteme, wie sie im DTTB, VDTT und einzelnen Landesverbänden den Mitgliedern angeboten werden ("mini-Meisterschaften", "Schnupper-Kurs", "TT-Future-Star", "Der engagierte Verein", "Trainer des Jahres- sind - langfristig wirkend - der Tod jeder Motivation und ersetzen kein Führungshandeln, ganz im Gegenteil: sie sind der Offenbarungseid jeder Führungskraft im Tischtennis.
- Tischtennis-Trainer(innen) selbst müssen sich daran gewöhnen, unternehmerisch zu handeln. Von den Bedingungen des Industriezeitalters noch immer geprägt, erwarten viele, dass "irgendwelche Dritten" (Vereine; und notfalls die Verbände oder der DTTB) für sie potentielle "Arbeitsplätze" - sei es nebenberuflich oder hauptberuflich schaffen. Trainer(innen) müssen lernen, zu Unternehmern ihrer eigenen Arbeitskraft zu werden. Das bedeutet nicht unbedingt, dass künftig viel mehr Tischtennis-Trainer(innen) als Selbständige oder hauptberuflich tätig sein werden, obwohl auch dies wünschenswert und förderungswürdig (siehe "Mini-Jobs"/ "Ich-AG`s") ist. Aber es bedeutet, dass alle Trainer(innen) für ihre Beschäftigung - egal auf welcher Basis - mitverantwortlich sind. Es liegt an jedem einzelnen, durch gute Konzepte oder Vorstellungen bereits im Vorfeld einer möglichen Beschäftigung die jeweils Verantwortlichen von Vereinen und Verbänden zu überzeugen. Jede Trainerin und jeder Trainer ist verantwortlich für ihre/ seine Verwendbarkeit, für die sie durch Aus- und Fortbildung zu sorgen haben. Sie tragen Mitverantwortung für die Erhaltung ihres "Arbeitsplatzes" Verein oder Verband. Sie müssen daran mitwirken, für sich einen "Arbeitsplatz" aufzutun. Sie können nicht länger erwarten, dass sie da abgeholt werden, wo sie sich gerade räumlich oder mit ihren Qualifikationen befinden. Sie haben letztlich auch dadurch die Chance, von Beginn an Strukturen in Vereinen und Verbänden mitzugestalten, die Ihnen die Schritte zu einer Idealvorstellung näher kommen lässt.
- Am Ende aller Überlegungen steht der engagierte, entsprechend seiner Leistung und Qualifikation entlohnte Trainer, der dem Verein oder der Abteilung im Laufe von 3-6 Monaten durch sein Engagement neben dem möglichen sportlichen Weiterkommen auch und besonders einen erheblichen Mitgliederzuwachs (15-30) erbringt - und das jährlich. Der Phantasie zur Anwerbung von Mitgliedern sind hierbei letztlich keine Grenzen gesetzt. Gute Trainer wissen, was sie zu tun haben! Aber sie brauchen auch eine auf Kooperation bedachte Vereins- oder Verbandsführung, die mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten unterstützt - vor allem Führungsqualität und Führungsverantwortung zeigt!